Geschichte

Die schlimmste Not lindern.

Ein Gespräch mit V•KJF-Vorstandsvorsitzendem Michael Eibl über die Geschichte des Vereins der Katholischen Jugendfürsorgevereine bis hin zur Gründung des V•KJF als Bundesverband und anerkanntem Fachverband innerhalb des Deutschen Caritasverbandes. (Siehe auch: Zur Geschichte des V•KJF)

Wo liegen die historischen Wurzeln und die Anfänge des V•KJF?
Jakob Reeb
Ein Name, mit dem sich alles verbindet, ist Jakob Reeb, katholischer Priester, Gefangenenseelsorger und Landtagsabgeordneter für die Zentrumspartei. Es war eine für uns alle wegweisende Entscheidung, dass er 1905 den ersten Jugendfürsorgeverein in Kaiserslautern in der damals noch bayerischen Pfalz auf den Weg brachte. Danach kam es zu einer regelrechten Gründungswelle von Jugendfürsorgevereinen: 1910 in München-Freising, 1911 in Augsburg, Bamberg und Eichstätt und 1912 dann in Regensburg, Passau und Würzburg. Heute bestehen noch die Vereine in Augsburg, München-Freising, Regensburg und Speyer.

Was hat zu dieser Gründungswelle geführt?
Jakob Reebs Bestrebungen resultierten aus den tiefgreifenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umwälzungen in der späteren Wilhelminischen Kaiserzeit. Die fortschreitende Industrialisierung brachte große soziale Probleme mit sich, unter denen besonders Kinder und Jugendlichen aus niederen Schichten zu leiden hatten. Staatliche Fürsorgemaßnahmen blieben völlig unzureichend, und so bildeten sich vermehrt sozial-caritative, meist konfessionell gebundene Vereine, um die schlimmste Not zu linderen. Vor allem sah man auch die Gefährdungen sozialer Entwurzelung oder Verwahrlosung, denen man durch erzieherische Maßnahmen auf christlicher Grundlage zu begegnen suchte.
Jakob Reeb war dabei als geistiger Vater die treibende Kraft. Er war es auch, der wesentlichen Anteil hatte beim Zustandekommen des ersten bayerischen Zwangserziehungsgesetzes von 1902. Mit der Einführung von speziellen Jugendgerichten, die den Schwerpunkt auf Erziehungsmaßregeln setzten, wurde 1909 ein weiterer Fortschritt erzielt.
Als wichtigen Schritt Jakob Reebs in dieser Zeit und unter diesen Umständen darf die gesetzliche Regelung zur Zwangserziehung angesehen werden. Vormundschaftsgerichten oblag die Anordnung der Zwangserziehung, deren Ausführung aber wurde zur Aufgabe der freien Wohlfahrtspflege erklärt. Dieses Subsidiaritätsprinzip ist bis auf den heutigen Tag gesetzlich verankert und sichert die Vorrangstellung freier Träger bei der Leistungserbringung.

Wie ging die verbandliche Entwicklung weiter?
Im Oktober 1912 wurde der Bayerische Landesverband der Katholischen Jugendfürsorgevereine und Fürsorgeerziehungsanstalten mit ihrem 1. Vorsitzenden Domkapitular Dr. Michael Buchberger gegründet. Das war der erste Vorläufer unseres heutigen Vereins V•KJF, in dem auch Einrichtungen in der Diözese Speyer Mitglieder waren.
Nach der Machtübernahme des NS-Regimes wurde die Situation für die Katholischen Jugendfürsorgevereine zunehmend schwieriger. 1935 wurden die öffentlichen Zuschüsse ganz eingestellt und eigene Straßensammlungen verboten. In unserer Chronik ist eine Neugründung des Verbands „Katholische Jugendfürsorge – Landesverband Bayern e.V.“ im Mai 1976 mit den Jugendfürsorgevereinen Augsburg, München-Freising und Regensburg vermerkt. Ab 2005, als der Jugendfürsorgeverein Speyer 100jähriges Jubiläum feierte, bemühten wir uns um die Neugründung eines Bundesverbandes mit dem ehemaligen historischen Mitglied Speyer. Dieses Vorhaben haben wir 2007 verwirklicht. Seitdem agieren wir gemeinsam auf Bundesebene in der Caritas-Verbandslandschaft und sind in zahlreichen Gremien vertreten. Es ist uns im V•KJF ein Anliegen gestaltend an der Zukunft eines an christlichen Werten orientierten Sozialstaates mitzuwirken.